Gastbeitrag: Unerfüllter Kinderwunsch

GASTBEITRAG

Liebe Mamis,

könnt ihr euch noch an eure Kinderwunschzeit erinnern? War sie aufregend, voller Vorfreude und Erwartungen? Habt ihr vielleicht sogar gemeinsam mit einer Freundin gehibbelt, die auch schwanger werden wollte?

Es heißt, die Mehrheit wird nach 3-6 Monaten schwanger, aber auch ein Jahr der Warterei ist völlig im Rahmen. Wenn die Kinderwunschzeit länger andauert, kann die schöne Stimmung allerdings schnell in Frust und Verzweiflung umschlagen, denn ein unerfüllter Kinderwunsch ist eine große emotionale (und ggf. körperliche) Belastung. Ich hoffe sehr, dass es bei euch schnell geklappt hat und dass ihr dieses Geschenk zu schätzen wisst.

Ich selbst wünsche mir schon seit einigen Jahren sehnlichst ein Baby und möchte an dieser Stelle gerne für dieses Thema Langzeitkinderwunsch sensibilisieren. Und mir ehrlichgesagt auch ein bisschen von der Seele reden, denn meist spricht man – wenn überhaupt – eher nur im engsten Kreis darüber und als Außenstehende(r) weiß man vielleicht nicht so recht, wie man damit umgehen soll. Im Folgenden möchte ich von meinen Erfahrungen berichten und ein paar Tipps für Außenstehende und andere Kinderwunschfrauen geben.

Meine Erfahrungen:

Gerne möchte ich euch zuerst von meiner eigenen emotionalen Achterbahnfahrt in der Kinderwunschzeit erzählen. Diejenigen, die Ähnliches erleben / erlebt haben, werden sich vielleicht wiedererkennen und merken, dass sie mit ihrem Gefühlschaos nicht die einzigen sind / waren. Und diejenigen, die sich noch nicht mit einem Langzeitkinderwunsch auseinandergesetzt haben, werden sich vielleicht besser einfühlen können.

Ich habe versucht diese Achterbahnfahrt einmal grafisch darzustellen und in Phasen aufzuteilen, um spezifischer darauf eingehen zu können. Angelehnt habe ich das an die „Kurve der Veränderung“, welche wir im Studium einmal besprochen haben. Diese Kurve sieht (stark vereinfacht) so aus:

Wenn ein Mensch mit einer Veränderung konfrontiert wird, reagiert er zunächst oft erst einmal mit Ablehnung bzw. Verneinung (1.) und Widerstand (2.) was sich zu einer Krise (3.) entwickeln kann bis man diese Veränderung erkundet (4.) und schließlich akzeptiert (5.).

Meine Kinderwunschkurve sieht leider nicht ganz so schön einfach aus:

Phase 1:

Die erste und wahrscheinlich längste Phase (1.) im Langzeitkinderwunsch ist ein ständig wiederholendes, emotionales Auf und Ab, wobei das Hoch immer niedriger und das Tief schnell immer tiefer wird. Bei mir fand dieses „Auf und Ab“ monatlich statt. Die Hoffnung stieg bis zum Eisprung, dann kam die Unsicherheit und die Verzweiflung war beim Einsetzen der Periode am größten. Da ich einen relativ regelmäßigen Zyklus habe, waren die Tage, an denen die Periode überfällig war, kaum auszuhalten. In all den Jahren habe ich ein kleines Vermögen an Ovulations- und Schwangerschaftstests ausgegeben. Und das Verhältnis zum eigenen Körper wurde immer schwieriger, denn man hat das Gefühl, sich nicht mehr auf den Körper verlassen, ihm nicht mehr vertrauen zu können. Die Periode als natürlicher, reinigender Prozess wird negiert und Regelbeschwerden können sich einstellen. Die gesamte Körperwahrnehmung verändert sich und das hat auch Auswirkungen auf die Selbstliebe bzw. -akzeptanz.

Diese Phase ist meiner Meinung nach die Härteste, deshalb möchte ich hier noch näher darauf eingehen. Die Verzweiflung war teilweise so groß, die Nerven so blank, dass jede Kleinigkeit mich zum Weinen bringen konnte. Man wird geplagt von unruhigem Schlaf und Albträumen. Dennoch versucht man im Alltag und im Job weiterhin zu „funktionieren“ und sich möglichst nichts anmerken lassen. Auf ganz lieb gemeinte, einfach interessierte Fragen von Außenstehenden, wann man denn „plant“ Kinder zu bekommen, kann man dann meist nur ausweichend antworten, dass das noch Zeit hat und hoffen, dass einem nicht gleich die Tränen in die Augen schießen.

Apropos „Planung“: Immer wenn ein Mensch seine Zukunft plant, fällt das Schicksal im Hintergrund lachend vom Stuhl.

Die Beziehung mit dem Partner leidet massiv unter so einer Situation. Vor allem, wenn man sich nicht einig ist, wie es weitergehen bzw. welche Maßnahmen man ergreifen soll. Man liest viel und probiert natürlich einiges aus. Bei mir hat leider bis jetzt nichts funktioniert, aber ich möchte am Ende des Artikels doch ein paar Tipps geben, von denen ich glaube, dass sie dem ein oder anderen helfen können. Die Ursachen für einen unerfüllten Kinderwunsch sind ja ganz individuell und mir geht es hier primär nicht um die körperlichen Gegebenheiten, sondern die psychischen Faktoren, welche wiederum auch Auswirkungen auf den Körper haben. Dieses ganze Gefühls- und Gedankenkarussell bedeutet nichts Anderes als Stress und dieser wirkt sich auch auf das Immunsystem, die Hormone (ganz ungünstig) bzw. die Gesundheit im Allgemeinen aus. Es ist daher sehr wichtig, gut auf sich selbst aufzupassen. Wer mehr über die Verflechtung zwischen Psyche & Gesundheit erfahren möchte, kann sich mit dem Gebiet der Psychosomatik beschäftigen, das ist wirklich interessant.

Wenn man etwas gefunden hat, von dem man glaubt, es könnte vielleicht irgendwie / irgendwann helfen, fühlt man sich eine Zeit lang besser. Man schöpft neuen Mut, neue Kraft, wieder etwas mehr Hoffnung. Vor allem aber klammert man sich an das Gefühl, die Situation nun besser „im Griff“ zu haben und kontrollieren zu können. Doch das hält nie lange an und ist, meiner Meinung nach, auch nicht hilfreich. Man kann das Leben einfach nicht kontrollieren, das ist eine Illusion. Man kann natürlich viel tun, um eine Schwangerschaft zu begünstigen, aber man kann sie nicht erzwingen. Doch im Hinterkopf fragt man sich immer ein bisschen, habe ich wirklich schon alles dafür getan? Was kann ich noch tun? Was noch ausprobieren? In meinem Selbstmitleid habe ich mich oft gefragt, was ich falsch gemacht habe und fühlte mich mitschuldig an meinem Dilemma. Habe ich das verdient, ist es Karma / Schicksal? Warum ich? Ich fühlte mich manchmal, als wäre ich keine vollwertige Frau. Dann wird einem ab und zu bewusst, dass es Millionen Menschen in Hunger- und/oder Krisengebieten gibt, denen es wesentlich schlechter geht und man schämt sich für sein Selbstmitleid. Der Druck, den man sich selbst macht, ist furchtbar, aber auch von außen kommt Druck in Form von Fragen und unerwünschten Ratschlägen. Und man selbst gibt den Druck auch an den Partner weiter.

Um aus einem Tief herauszukommen, habe ich mir oft Ablenkung gesucht. Neue Hobbys ausprobiert, Kurse & Workshops besucht, sogar ein weiteres Studium gemacht und meine Freizeit komplett verplant, sodass ich kaum zur Ruhe kommen konnte und über die Situation nachdenken musste. Sich möglichst objektiv mit seinen Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen ist verdammt schwer und anstrengend. Warum ist die Sehnsucht nach einem Kind eigentlich so groß? Es kann ja nicht nur die „tickende, innere, biologische Uhr“ sein, oder? Was erhoffe und erwarte ich mir eigentlich von einem Leben mit Kind? Ist es das Gefühl, wieder eine „vollständige“ Familie zu haben, nachdem man erwachsen geworden ist und sich von seiner Rolle als Kind abgenabelt hat? Ist es der Wunsch nach Zusammengehörigkeit, tiefer innerer Verbundenheit, nach bedingungsloser Liebe? An sich selbst, seiner Einstellung und Psyche zu arbeiten ist eine große Herausforderung. Es kommt mir fast wie eine charakterliche Reifeprüfung vor, auf die man sich nicht vorbereitet hat.

Phase eins endet mit dem emotionalen Tiefpunkt – das Gefühl der Traurigkeit, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit ist am größten und scheint unüberwindbar. Die Angst, nie sein eigenes Kind im Arm halten zu können oder zu alt zum Kinderkriegen zu werden kann sich zu panischen Zuständen entwickeln. Man fühlt sich allein und unverstanden.

 

Phase 2:

Danach gibt es meines Erachtens zwei Wege, wie es weitergehen kann. Zum einen schafft man den Ausbruch aus der Abwärtsspirale, meist durch eine radikale Veränderung (Phase 2A). Es gibt Frauen, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen. Sich vom Job oder gar vom Partner trennen und durch diese tiefgreifende Veränderung neuen Antrieb finden. Im besten Fall ist die radikale Veränderung natürlich das Eintreten einer Schwangerschaft. Aber auch eine Adoption ist eine Möglichkeit, die Sehnsucht zu stillen. Natürlich geht es danach nicht immer nur bergauf, aber man kommt wieder auf die Beine.

Wenn sich an der äußeren Situation nichts ändert, kommt meiner Erfahrung nach die Phase der Resignation (2B). Man weint nicht mehr, aber man lacht auch nicht mehr – zumindest nicht mehr von Herzen. In dieser Phase war auch ich. Man fühlt sich innerlich einfach nur noch leer, wie taub, weiß nicht, warum man morgens eigentlich noch aufstehen soll. Das Essen schmeckt nicht mehr, man hat auf nichts mehr Lust, ist antriebslos und zieht sich innerlich zurück. Selbst die Albträume werden nun weniger. Es fällt einem schwer, aktiv am Leben teilzunehmen, dem Gegenüber wirklich zuzuhören und sich an Gesprächen zu beteiligen. Man hat kein Ohr mehr für die Probleme anderer. Alles ist mühsam. Im Alltag verstellt man sich so gut es geht und gewöhnt sich daran, nach außen anders zu sein, als man sich innerlich fühlt.

An dieser Stelle möchte ich auf das Wort „loslassen“ eingehen, welches einem in Ratgebern immer wieder begegnet. Ich habe dieses Wort zunächst gehasst. Für mich war es gleichbedeutend mit „aufgeben“. Und ich war und bin mir sicher, meinen Kinderwunsch werde ich niemals aufgeben, er wird immer da sein! Doch dann hat es eines Tages Klick gemacht und ich habe eine andere Bedeutung für das Wort gefunden, mit der ich leben konnte: „Akzeptanz“. Und das Wort „loslassen“ fühlte sich nun nach Befreiung an.

Ich habe aufgehört zu „kämpfen“, denn nichts Anderes habe ich jahrelang gemacht. Ich habe gegen mich selbst gekämpft und für meinen Herzenswunsch – bis ich es emotional und körperlich einfach nicht mehr konnte und aus dem emotionalen Hamsterrad aussteigen musste. Ich habe nur dieses eine Leben und mir wurde endlich klar, dass es andere Wege gibt, Glück und Erfüllung zu finden. Aber auch das ist ein Lernprozess und geht nicht von heute auf morgen. Und es wäre gelogen, würde ich sagen, dass jetzt immer alles gut und einfach ist, denn mein Kinderwunsch ist immer noch da. Aber er dominiert nicht mehr all meine Gedanken und Gefühle und überschattet nicht mehr die Liebe zu meinem Partner.

Dazu gibt es diesen schönen Spruch: „Wenn du möchtest, dass eine Wunde heilt, musst du aufhören, sie immer wieder anzufassen.“

Tipps für Außenstehende:

Ich habe bezaubernde Nichten, bin stolze Patentante und bin daher oft von Kindern umgeben, die ich von ganzem Herzen liebe und für die ich alles tun würde. Ich verbringe gerne Zeit mit Ihnen, mache Ausflüge in den Zoo und mache mir gerne Gedanken, wie ich ihnen eine Freude machen kann. Wenn ich am Handy durch meine Galerie scrolle, blicken mir fast ausschließlich Kindergesichter entgegen und das finde ich toll! Aber eben nicht immer und nicht jeder Kinderwunsch-Frau geht es so.

Es ist wunderschön, den Kindern beim Wachsen zuzusehen. Und manchmal ist es auch schwer. Gerade, wenn man vor Jahren mit einer Freundin gemeinsam gehibbelt hat und es bei ihr direkt geklappt hat. Man denkt, auch mein Kind könnte jetzt vielleicht schon laufen, sprechen, schwimmen, Fahrrad fahren…würde in den Kindergarten oder gar in die Schule kommen. Das ist unvermeidlich und stimmt einen wehmütig.

Wenn ihr, liebe Mamis, also eine Freundin / Bekannte habt, von der ihr wisst, dass sie einen unerfüllten Kinderwunsch hat, fragt sie einfach, wie ihr damit umgehen sollt. Verschont sie bitte mit 0815-Tipps, sie solle doch einfach entspannen und in den Urlaub fahren. Denn die Gedanken und Sorgen machen dabei leider keinen Urlaub – die nimmt man mit. Sagt ihr einfach, sie soll Bescheid sagen, wenn sie darüber reden möchte und dass ihr ein offenes Ohr habt, falls ihr helfen möchtet. Denn mehr als Zuhören könnt ihr nicht tun. Und auch wenn sich das nach nicht viel anhört – es tut unfassbar gut, sich ab und an alles von der Seele zu reden, es hilft. Habt kein Mitleid, das macht die Sache noch schlimmer, sondern einfach Mitgefühl. Zeigt Verständnis, wenn die kinderlose Freundin gerade keine Zeit für eure Kinder hat.

Wenn ihr mit einer kinderlosen Frau über Kinder sprecht und ihr nicht wisst, wie es um sie steht, behaltet bitte im Hinterkopf, dass sie sich selbst vielleicht auch Kinder wünscht, es aber nicht klappt und sie nicht darüber sprechen kann oder möchte. Versucht einfach ein Gefühl für die Stimmung zu bekommen. Stellt bitte keine indiskreten Fragen oder weist sie darauf hin, dass es ab 35 immer schwieriger wird, Kinder zu bekommen.

Tipps für Kinderwunschfrauen:

Nehmt euch Zeit und Raum für euch selbst. Passt auf euch auf, verwöhnt euch. Damit meine ich nicht mit materiellen Dingen, denn eine Shopping-Sucht wird euch auch nicht weiterhelfen. Niemand braucht 40 Sommerkleider im Schrank – ich weiß wovon ich spreche. Und auch keine Bücher- oder Seriensucht wird euch langfristig helfen, sondern höchstens eine kurze Verschnaufpause von der Realität ermöglichen. Tut, was euch guttut, das ist individuell. Gönnt euch Massagen, geht spazieren, macht Sport. Legt Entspannungsmusik ein. Versucht den Kopf frei zu bekommen. Seid ehrlich zu euch selbst und eurem Partner. Redet viel mit eurem Partner. Eine lange Kinderwunschzeit ist eine enorme Belastungsprobe für die Beziehung und daher ist eine offene und ehrliche Kommunikation besonders wichtig. Vertraut euch jemandem an – und wenn es nur das Tagebuch ist. Fresst nicht buchstäblich alles in euch hinein. Schämt euch nicht, euch professionelle, therapeutische Hilfe zu holen. In vielen größeren Städten gibt es mittlerweile auch Kinderwunsch-Selbsthilfegruppen. Habt den Mut, euch intensiv mit eurer Gedanken- und Gefühlswelt auseinanderzusetzen.

Bei mir kamen vor allem folgende Themen „hoch“:

  • Weiblichkeit / Sexualität
  • Kreativität / Schöpfungskraft
  • Inneres Kind
  • Kontrolle / Macht
  • Abgrenzung / Raum & Zeit für sich selbst / Nein-sagen
  • Körperwahrnehmung / Selbstliebe /-akzeptanz
  • Verlustängste / Versagensängste

Folgende Seiten / Bücher kann ich euch empfehlen:

  • Zykluswissen:
    • Bücher über natürliche Familienplanung (z.B.: Amazon-Link*)
    • Seite: mynfp.de hier gibt es viel Wissen und eine tolle Community
    • Anmerkung: zu Beginn der Kinderwunschzeit hätte mir diese Temperaturmessmethode sicher geholfen. Es ist wichtig, sich mit dem eigenen Körper auseinanderzusetzen. Als ich diese Seite erst spät entdeckt und angefangen habe, mynfp zu nutzen, hat es mich allerdings eher noch mehr unter Druck gesetzt.
  • „Loslassen“ und weitere Bücher von Birgit Zart (Amazon-Link*)
  • Seite für Homöopathie / Kinderwunschhilfe von Birgit Zart (Link)
  • Weiblichkeit / Sexualität
    • Frauenkörper / Frauenweisheit von Christiane Northrup (Amazon-Link*)
    • Komm, wie du willst von Emily Nagoski (Amazon-Link*)
  • Inneres Kind: Das Kind in dir muss Heimat finden von Stefanie Stahl (Amazon-Link*)
  • Kreativität: Der Weg des Künstlers von Julia Cameron (Amazon-Link*)
  • Körperwahrnehmung: Emotionalkörper-Therapie von Söller / Lübcke (Amazon-Link*)
  • TCM / Hoffnung bei unerfülltem Kinderwunsch von Schweizer-Arau (Amazon-Link*)

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